REPROGRAF
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handlungsstand. Sogar einige Rechtsan-
wälte, die Dienstleister in Gerichtsverfah-
ren gegen VG WORT vertreten, waren ge-
kommen und befruchteten die Debatte.
Getarnte Firmenbesuche durch verdeckte
Ermittler waren unzulässig
Print-Dienstleister als VG-WORT-Opfer
schilderten ihre früheren Erlebnisse mit
verdeckten VG-Schnüfflern, die als Kun-
den getarnt Kopierbetriebe betraten und
widerrechtlich ausforschten. Die mehr als
grenzwertige Art der Kontrolle war bis vor
wenigen Jahren gängige Praxis. Der WKM
protestierte: »Das ist Hausfriedensbruch.«
Erst richterliche Entscheidungen wiesen
die VG WORT in ihre Schranken. Daraufhin
stoppte VG WORT diese Art von Besu-
chen.
Kontrollpraxis geändert
Seitdem die Kontrollbegehungen gesetz-
lich legitimiert sind, betreten die Münch-
ner Investigatoren die Betriebe mit offe-
nem Visier, ohne Schlapphut und Sonnen-
brille. Der VG-WORT-Kontrolleur stellt sich
brav vor, erläutert Anlass und Ablauf sei-
nes Besuchs und lässt sich an die Maschi-
nen führen. Auf Verlangen muss er sich
sogar mit seinem Dienstdokument legiti-
mieren. Das dieses immer noch einem
selbstgebastelten Schülerausweis gleicht,
wird in der Branche schmunzelnd zur
Kenntnis genommen.
Schnell in die Abmahnfalle getappt
Aber auch die neue Art der Kontrollbesu-
che gibt Anlass zum Ärgernis, denn sehr
schnell kann die VG-WORT-Abmahnfalle
zuschnappen. Vielfach verwehren arglose
Mitarbeiter bei Abwesenheit des Chefs
dem Kontrolleur den Zugang und bitten
diesen, doch erst nach einer telefonischen
Terminvereinbarung wiederzukommen.
Die ahnungslosen Mitarbeiter im Kopier-
betrieb spüren in diesem Moment nicht,
dass es für den Chef jetzt teuer wird. VG
WORT nämlich wertet solche Aussagen
bereits als endgültige Zutrittsverweige-
rung. Allein schon die bloße Aufforderung,
den nächsten Besuch vorher anzukündi-
gen, löst die VG-Sanktionskeule aus.
VG-Anwälte verdienen mit
Nach dem Motto »Des Dienstleisters Leid
ist des Advokaten Freud« generiert sich im
selbenMoment in einer Münchner Rechts-
anwaltskanzlei schneller Umsatz. »Völlig
überzogen für das bisschen Copy und Pas-
te von teilweise immer wiederkehrenden
Textbausteinen in den Anwaltsschreiben
an uns Printdienstleister,« so ein verärger-
ter Unternehmer. Die geschäftstüchtigen
VG-Anwälte setzen nämlich den Gegen-
standswert je Abmahnung auf satte
10.000,– Euro. Das bringt den Gebühren-
zähler des Münchner Abmahnautomaten
erst richtig in Schwung, wie bei einem ein-
armigen Banditen. Die Rechnung weist für
»Kosten unserer Einschaltung« eine Sum-
me von über 650,– Euro aus.
Proteststurm durch WKM entfacht
Nach der Potsdamer Veranstaltung stei-
gerte der Verband den Protest. Nun for-
derte er seineMitglieder auf, ihre örtlichen
Wahlkreisabgeordneten im Bundestag
über die VG-WORT-Pläne zu informieren.
Ein flächendeckender Sturm brach los.
MdBs aus allen Parteien sowie deren Mit-
arbeiterstäbe informierten sich nun über
den Sachverhalt und fragten u. a. in Mün-
chen an. Das erhöhte zusätzlich den Druck.
Bereits nach wenigen Tagen mailten Mit-
glieder ihre Protestschreiben und die Ant-
worten der Abgeordneten an die Ver-
bandszentrale. Dem WKM liegen dutzen-
de Antwortschreiben von Volksvertretern
vor, die das teilweise gar nicht glauben
wollten. Die Sensibilisierung glückte. Na-
hezu alle Fachmagazine im Printbereich
berichteten über die Empörung der Di-
gitaldrucker. Manche Rechtsanwälte hat-
ten sogar die WKM-Statements auf ihre
Homepages übernommen und so im Inter-
net für weitere Verbreitung gesorgt.
VG WORT lenkt ein
Mittlerweile nervten noch andere die VG-
WORT-Oberen. Empfänger der Betreiber-
abgabe, wie Schriftsteller, Autoren und
Verlage, wollten endlich Geld sehen. Noch
im September gab es dann die ersten Sig-
nale aus München, sich endlich einigen zu
wollen. Man müsse eiligst die Jahresrech-
nungen für 2012 versenden, so war zu hö-
ren. Schnell fanden dann alle Beteiligten
an den Verhandlungstisch zurück. VG
WORT und Verbände hatten sich am
29.11.2012 auf eine moderate Steigerung
verständig. (ac)
n
Printer ohne Scanner
sind keine »Kopierer«
Wie man seine VG-WORT-Abgaben
ganz legal reduzieren kann
Wer seinen im Drucksystem integrier-
ten Scanner sichtbar stilllegt, der ist
von einer Betreiberabgabe befreit. Dies
sollte das Unternehmen der VG WORT
auch umgehend mitteilen. Reine Dru-
cker ohne eingebaute Scanner gelten
immer noch nicht als abgabenpflich-
tige Kopierer. Allerdings kämpft VG
WORT vor dem Europäischen Gerichts-
hof dafür, dass zukünftig auch reine
Drucker der Betreiberabgabe unterfal-
len. Mit einem letztinstanzlichen Eu-
GH-Urteil ist Mitte 2013 zu rechnen.
n
Wilfried Engel: »Die
Urheberrechte an fast
allen Druckvorlagen
gehören meinen
Firmenkunden und nicht
Dritten.«
Achim Carius: »Die
Initiierung von Muster-
prozessen einzelner
Mitglieder gegen VG
WORT schließen wir jetzt
nicht mehr aus.«